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ein Gedicht

Seemannspflicht

unbekannter Verfasser


Was nicht weiter taugt auf Erden
kann zuletzt noch Seemann werden.
Und was hierzu nichts mehr taugt
wird als Schauermann verbraucht.


Traurig wir die Häupter senken
der Teufel soll den Dichter henken,
der mit diesem Vers oh Schmach
spottet uns`rer Müh und Plag.
Damit endlich herrsche Klarheit
sollt erfahren Ihr die Wahrheit.
Fährt auf weitem Weltenmeer
stolz ein deutsches Schiff umher,
tut mit eisernem Gesicht
ein jeder Seemann seine Pflicht.


Auf des Schiff's Kommandobrücke
spähend rings wie Adlerblicke,
eisern steht der Kapitän.
Schwarz die Nacht, nichts kann er sehn,
doch er trotzt der Finsternis,
weils nun mal so üblich ist.
Blitze zucken, Donner grollen
und der Pott fängt an zu rollen
und es heult des Sturmwind's Klage,
in der Masten Takelage.
Alles muss er schnell bedenken,
um den alten Kahn zu lenken.
Ohne Essen, ohne Schlafen
bis das Schiff im sich'ren Hafen,
tut mit eisernem Gesicht
stets der Alte seine Pflicht.


In der Mitte der Maschine,
fauchend dreht sich die Turbine.
Heizer, schwarz auf allen Vieren,
wischen, pützen, schmirgeln, schmieren.
Und den Chief mit stillem Grauen
sieht man auf die Tafeln schauen.
Kummervoll grad wie im Grab,
liest den Ölverbrauch er ab.
Doch mit eisernen Gesicht
tut der Seemann seine Pflicht.


In der Küche, welch Vergnügen
sieht man Pött und Pannen fliegen.
Oberkoch, vor Schmerzen stumm,
fischt in dem Bouillontopf rum,
wo der Wind, wie das so geht
ein Stück Fleisch hinein geweht.
Auch der Topf mit Dauersoße
schwimmt schon draußen in der Gosse.
Jammernd schreit der Mannschaftskoch:
"Reichen soll's bis Hamburg noch"
Doch mit eisernen Gesicht
tut der Seemann seine Pflicht.


In dem Deck der Passagiere
klirrt Geschirr und knallt die Türe,
Porzellan hört man krachen
und an Deck da schwimmen Lachen.
Doch der Menschheit ganzer Jammer
offenbart sich in der Kammer.
"Steward" ruft es hier und dort
und er saust von Ort zu Ort,
selbst ganz grün im Angesicht,
übel werden darf ihm nicht.
Flüstert er im süßen Ton,
dass die Sonne scheine schon,
dass das Wetter besser werde.
Fischt derweil von der Erde
das Menü der letzten Wochen,
halb verdaut vermischt mit Knochen.
Ist die Arbeit dann getan,
fängt's von vorne wieder an.
Doch mit eisernem Gesicht
tut der Seemann seine Pflicht.


Wüst das Deck, in Wasserschwaden
kann man bis zum Halse baden.
Zimmer-, Bootsleut und Matrosen,
aufgekrempelt ihre Hosen,
dichten Luken, ziehen Stricke,
laschen dort noch ein paar Stücke.
Eisern, fest hält ihre Faust,
wenn ein Brecher kommt gerauscht,
ab und zu ein grober Scherz,
zeigt des Seemanns goldnes Herz.
Doch mit eisernem Gesicht
tut der Seemann seine Pflicht.


Ist das Schiff im sich'ren Hafen,
kann der Seemann auch nicht schlafen,
er muss putzen, waschen und scheuern,
um den Dampfer zu erneuern.
Abends geht es Hand in Hand
an das fremde Land,
sich die Schönheit anzuseh'n,
in den Bars und den Museen.
Wird es in den Straßen dunkel,
lockt der Tanzbar Lichtgefunkel.
Ach wie ist er zu bedauern,
tausend Teufel auf ihn lauern,
üppig oder schlank die Glieder,
weißer Nacken buntes Mieder,
Ros'ge Arme ihn umfangen,
aus den Augen spricht Verlangen.
Augen, die wie Kohle brennen,
Mädchen ihm entgegenrennen.
Lachend spricht ihr roter Mund: "Du Schlimmer,
komm ins kleine Hinterzimmer,"
und mit eisernem Gesicht
sagt er: "Nein, das tu ich nicht"

.

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Zum Angedenken an Herbert Wasmann (1939-2019), der dieses Gedicht unzählige Male an Bord der "Großherzogin Elisabeth" zu besten gab.


(last modified: Mo 27.Okt.2025 14:19:37)